In unserem Nachbarland ist in den letzten Jahren Erstaunliches passiert. So wird es am 28. März 2020 in ganz Deutschland einen großen MieterInnen-Protesttag (Housing-Action-Day) in vielen deutschen Städten geben. Hunderttausende werden auf die Straße gehen.
Am Beispiel der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co, VONOVIA enteignen“ kann gezeigt werden, dass MieterInnen-Bewegungen ein ganzes Paradigma ins wackeln bringen und auch positive politische Entscheidungen erzwingen können.
Am Donnerstag, 30.01.2020, beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus (Senat) auf Grund des langwährenden großen Drucks der Straße „einen massiven Eingriff ins Mietrecht“ (tagesschau.de). Mit den Stimmen von rot-rot-grün (85:64:1Enthaltung) wurde der sogenannte Mietendeckel beschlossen. Er tritt voraussichtlich noch im Februar in Kraft. Mit diesem Gesetz werden die Mieten auf dem Stand vom 18. Juni 2019 für fünf Jahre eingefroren.
CDU und FDP bezweifeln, dass das Gesetz verfassungskonform ist und haben Normenkontroll-verfahren angekündigt. Immobilienwirtschaft und fast sämtliche Medien schäumen vor Wut, manche kontrolliert schaumgebremst, weil sie sich der Frechheiten der Wohnungskonzerne sehr wohl bewusst sind, deren profitgieriges Agieren ja das alles ausgelöst haben.
Ein kleiner aber auch bleibender Erfolg?
Die Sache ist natürlich trotz erkennbarem Erfolg einer riesigen Bewegung noch nicht gelaufen,
die Gefahr einer Rücknahme des Beschlusses ist durchaus präsent, zumal dann, wenn sich die breite Mietenrebellion jetzt einschüchtern und täuschen lässt. Aber das scheint zum Glück derzeit nicht gegeben. Im Gegenteil:
„Das Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn ruft für Ende März zu einer Großaktion in Berlin auf. Man befürworte zwar prinzipiell die Einführung eines Mietendeckels, wie er am Donnerstag im Abgeordnetenhaus beschlossen wurde, weise aber darauf hin, dass es die „akuten Verdrängungsprozesse“ in der Hauptstadt nicht aufhalte, heißt es in dem Aufruf dazu. Deshalb solle am 28. März auf dem Potsdamer Platz protestiert werden. Erwartet werden Tausende Teilnehmer. Bereits im April 2019 hatten nach Angaben der Veranstalter rund 40.000 Menschen in Berlin an einer solchen Kundgebung teilgenommen.
Die Demonstration findet im Rahmen des europaweiten „Housing Action Day“ (Aktionstag Wohnen, Anm. d. Red – an der leider Wien nicht teilnimmt, JI) statt, an dem in vielen europäischen Städten Mieter und Mieterinnen auf die Straße gehen werden. Auf dieses Datum arbeiten wir unabhängig vom Berliner Mietendeckel-Gesetz hin“, sagte Kim Meyer vom Bündnis Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn, das sich als offenes Netzwerk versteht und in dem sich mehr als rund 100 Initiativen, Verbände und Vereine zusammengeschlossen haben. Sie unterstützen auch das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“, das rund 77.000 Unterstützer fand und damit erfolgreich die erste Hürde nahm.
….müssen wir‘s schon selbser tun
Wie man sieht: solche Bewegungen entstehen jedoch nicht aus dem Nichts. Sie konnten auf die langjährige Aktivität von Nachbarschafts- und MieterIinnen-Initiativen in vielen Kiezen in Berlin aufbauen, und so effektive Proteste gegen unleistbare Mieten lautstark artikulieren und sogar eine Meinungshohheit hinsichtlich der Enteignungsforderung herstellen.
Und Wien?
An diesem für Wien und seine Stadtregierung (rot-grün) unvorstellbarem Berliner Szenarium sollten wir uns eher ein Beispiel nehmen. Es ist dringend notwendig, entsprechenden Druck auf die Stadtregierung auszuüben, auch wenn sie – wie es ja auch in Deutschland jetzt geschehen wird – ihre Kompetenz abstreiten wird.
Auch in Wien gibt es bereits verschiedene wohnpolitisch kritisch arbeitende Initiativen. Leider ist aber in Wien eine von SPÖ und Stadt unabhängige Krätzelbewegung nur rudimentär vorhanden. Die Stadt hat alle dafür in Frage kommenden Räume selbst besetzt und fest im Griff. Die KPÖ – Wien versucht über ihre Lokalitäten entsprechende Initiativen zu unterstützen (z.B. Rotpunkt, Familienplatz, Goethehof etc. ). Mit dem Mieter Selbsthilfe Zentrum (MSZ) wird auch eine wohnpolitisch orientierte MieterInnen-Beratung angeboten. Die von der KPÖ unterstützte unabhängige MieterInnen-Initiative (MI) arbeitet in einigen Initiativen mit und hat auch schon einige Wohn-Demonstrationen mit-organisiert. Neben der wohn- und mietrechtspolitischen Beratung tritt das MSZ und die MI mit folgenden wohnpolitischen Forderungen in die Öffentlichkeit:
* Weg mit den befristeten Mietverträgen!
* Die Mieten senken (höchstens € 5,00/qm für Kategorie A)!
* Keine Spekulation mit Grund und Boden – Warum nicht Enteignen?
* Privatkapital raus aus dem Wohnungssektor!
* VONOVIA/BUWOG enteignen – entschädigungslos!
Wir alle brauchen leistbare, zeitgemäße, sichere und ökologisch nachhaltige Wohnungen. Das will und kann uns der auf Profit basierende private Immobilienmarkt nicht geben.
Im kommenden Wahlkampf sollten obige wohnpolitischen Forderungen eine wichtige Rolle spielen!
Josef Iraschko