Die bundeseinheitliche Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber eben nur ein kleiner!
Die Stigmatisierung der Betroffen als „Sozialhilfeempfänger“ bleibt bestehen, wie die Zahlen der „Inanspruchnahme“ deutlich zeigen. In Kärnten haben, wie die Presse berichtet, im Jahr 2011 gerade einmal 20% der Bezugsberechtigten die Hilfe in Anspruch genommen.
Allein der Aspekt der sozialen Absicherung unter Berücksichtigung des Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschrechte:
“Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen”
sollte ausreichen, um angesichts der Würdelosigkeit und Stigmatisierung von Almosen den Schritt von der Mindestsicherung zum bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) zu rechtfertigen.
Im Artikel 22 heißt es weiter:
„Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind.“
Für eine Gesellschaft, die mit Geld funktioniert und in der die Befriedigung aller Grundbedürfnisse finanziell abzugelten ist, ist ein Recht auf Leben als Mitglied der Gesellschaft, gleichzusetzen mit einem Recht auf Einkommen.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist somit Teil des demokratischen Grundrechts auf Teilhabe an der Gesellschaft.
Dieser – soziale – Aspekt des BGE wurde bereits hinlänglich beleuchtet und in vielen Beiträgen argumentativ aufbereitet.
Ich möchte mit meinem Beitrag eine neue, immer wichtigere Facette, herausstreichen und die Diskussion um das BGE erweitern.
In der 2013 veröffentlichten Studie „The Future of Employment“ kamen Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der Universität Oxford zum Ergebnis:
„47 Prozent aller Arbeitsplätze, die es in den USA heute gibt, werden demnach in den nächsten beiden Dekaden dem technischen Fortschritt zum Opfer fallen.“
Die Studie hat dazu geführt, dass die Diskussion über das BGE in den USA in immer bereiterem Ausmaß und auch in Mainstream-Medien wie CNN geführt wird.
In Österreich ist das Thema – trotz stetig steigender Arbeitslosenzahlen – noch nicht angekommen.
Die Politik in Österreich betet nach wie vor das Mantra von den neuen Arbeitsplätzen, die ein Wirtschaftswachstum zwangsläufig mit sich bringen würde, lässt dabei aber außer Acht, dass Produktivitätsfortschritt durch Technologisierung das genaue Gegenteil zum Ziel hat.
Neue Arbeitsplätze entstehen für den Großteil der Menschen nur noch als Dienstleister im unteren Lohnsegment – und selbst das nicht in ausreichendem Ausmaß, um für alle einen strukturellen Arbeitserwerb sicherzustellen. Davon sind längst nicht nur schlecht ausgebildete Menschen betroffen, sondern in immer höherem Ausmaß auch die gut gebildete „Mittelschicht“.
Diese Blindheit gegenüber der sich rapide verändernden Arbeitswelt vergrößert nicht nur die soziale Ungleichheit, sondern fördert zusätzlich den Zulauf zu den extremistischen Rändern links und rechts unserer Gesellschaft.
Wie kann nun das BGE dieser unerfreulichen Entwicklung entgegenwirken?
Frei nach Erich Fromm, der sich schon in den 60er Jahren Gedanken über das BGE gemacht hat, macht erst die existenzielle Absicherung und die Befreiung vom Zwang zur strukturellen Erwerbsarbeit, Menschen unabhängig von wirtschaftlicher Bedrohung und somit wahrhaft frei und unabhängig.
Im Gegensatz zu einer linearen Verkürzung der Regelarbeitszeit, die oft als Alternative dargestellt wird, ermöglicht das BGE die individuelle Anpassung von Erwerbsarbeit an persönliche Bedürfnisse.
* Eine notwendige radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich (und nur diese wäre im Sinne der Arbeitnehmer) ist angesichts der kleinteiligen Wirtschaft bei den derzeit gültigen steuer- und abgabenrechtlichen Voraussetzungen in Österreich ohne die Gefährdung vieler kleiner und kleinster Unternehmen und damit der Wirtschaftsgrundlage Österreichs kaum möglich.
* Derzeit sind viele Menschen in unserer Gesellschaft ehrenamtlich tätig und können durch berufliche Belastungen nur bedingt diesem Engagement nachgehen. Erst mit einem BGE wird es diesen Menschen möglich, uneingeschränkt „unbezahlt“ gemeingesellschaftlich tätig zu sein.
* Nach Einführung des BGE entfällt der Zwang, für Erwerbstätigkeit den Wohnort zu wechseln und etwa in die Stadt zu ziehen (Stichwort Landflucht). Ganz im Gegenteil, könnten sich gegenläufige Entwicklungen ergeben und Menschen wieder das ländliche Leben bevorzugen und es käme aufgrund der dort steigenden Nachfrage zu Angeboten an Arbeitsplätzen.
* Es ist festzuhalten, dass Schwangere und ihre Partner immer wieder in wirtschaftliche, die eigene Entwicklung bedrohende Notsituation kommen. Hierzu kommt, dass junge Mütter mit Kindern immer wieder in entwürdigende Abhängigkeiten gegenüber dem Partner oder sozialen Einrichtungen des Staates kommen. Erst das BGE erleichtert jungen Menschen das Gründen einer Familie ohne Existenzsorgen.
Oben angeführte Szenarien sind angesichts der komplexen Thematik willkürlich und natürlich unvollständig aneinander gereiht. So fehlt zum Beispiel der feministische Aspekt (keine oder deutlich geringe Abhängigkeiten von Partnern) oder der ebenfalls immer wichtigere Aspekt der Pflege (die derzeit hauptsächlich innerhalb der Familie und da wiederum hauptsächlich von Frauen unentgeltlich geleistet wird).
Viel Kritiker sehen im BGE immer noch eine Utopie. Die immer weiter voranschreitende Automatisierung macht es jetzt greifbar. Denn noch immer gilt, was Oscar Wilde in einem Essay schon vor über 120 Jahren geschrieben hat:
„Bislang ist der Mensch in gewissem Sinne der Sklave der Maschine gewesen, und es liegt etwas Tragisches in der Tatsache, dass er zu hungern begann, sobald er Maschinen erfand, die seine Arbeit verrichten. Dies ist jedoch nur das Ergebnis unserer Eigentumsordnung und unseres Wettbewerbssystems. Ein Einzelner ist Eigentümer einer Maschine, die die Arbeit von fünfhundert Menschen leistet. Dadurch sind fünfhundert Menschen arbeitslos, und weil sie keine Beschäftigung haben, fallen sie dem Hunger und dem Diebstahl anheim.“
Mit dem Inhalt des Textes stimme ich im Großen und Ganzen überein, aber der folgenden Stelle kann ich mich nicht anschließen.
“Diese Blindheit gegenüber der sich rapide verändernden Arbeitswelt vergrößert nicht nur die soziale Ungleichheit, sondern fördert zusätzlich den Zulauf zu den extremistischen Rändern links und rechts unserer Gesellschaft.”
Diese Gleichsetzung zwischen links und rechts, beziehungsweise ein positives Beziehen auf eine vermeintlich vernünftige Mitte finde ich nicht zulässig.
Warum die extreme Rechte abzulehnen ist, sind wir uns wahrscheinlich einig.
Meiner Meinung kann es aber kein zu viel links geben, denn links(radikal) würde ich mit demokratie und gleichheit gleichsetzen.