Der von der Wirtschaft bestellte Umbau wird nun von der Regierung geliefert. Nach der beschlossenen Arbeitszeitflexibilisierung („freiwillig“ bis zu 12 Stunden täglich – bis zu 60 Stunden wöchentlich), folgt nun die angepeilte Sozialversicherungsreform. Ein Kommentar von Wolfgang Sigut (ganz links im Bild), Aktivist von Wien anders – Erstpublikation im Kaktus – der Zeitung der KPÖ-Donaustadt
Wobei die Reduktion der Sozialversicherungsträger von 21 auf 5 als nicht verfassungskonform angezweifelt werden muss. Eine Ausweitung der Kontrollrechte für das Sozialministerium widerspricht eindeutig dem Prinzip der in der Verfassung verankerten Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger. Weiters bedeutet die Bevorzugung der Dienstgeber im Verwaltungsrat der neuen Österreichischen Gesundheitskasse ein Ungleichgewicht gegenüber den versicherten Dienstnehmern.
Eine Handschrift wird erkennbar, die Erfüllungsgehilfen FPÖVP Streben einen Komplettumbau der 2.Republik und Abriss des Sozialstaats an. Übrigens, beim „Anschluss“ an das Dritte Reich wurde die Selbstverwaltung der Sozialversicherung bereits einmal abgeschafft.
Wie geht es weiter?
Na hurtig! Als nächstes wartet die Arbeitslosenversicherung. Im Regierungsprogramm von FPÖVP auf Seite 143 wird das Ziel einer „Harmonisierung, Neuausrichtung und Weiterentwicklung von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Bedarfsorientierter Mindestsicherung“ angeführt. Vorgesehen ist ein „Arbeitslosengeld NEU: Degressive Gestaltung der Leistungshöhe mit klarem zeitlichen Verlauf und Integration der Notstandshilfe.“
Zu befürchten sind weitere Einschnitte bei der sozialen Absicherung von Arbeitslosen! Dahinter steckt jene neoklassische Sichtweise der FPÖVP, dass jegliche Flexibilisierung zu besseren Ergebnissen am Arbeitsmarkt führt und dass gegen Missbrauch(!) von Versicherungsleistungen zu Felde gezogen werden muss.
Solange Unternehmen keine positive Geschäftsentwicklung erwarten, wird keine Arbeit nachgefragt, und auch eine weitere Arbeitsmarktflexibilisierung wird nichts an der bestehenden Arbeitslosigkeit ändern. Was Flexibilisierung allerdings schon bewirkt, ist die optimale Verwertbarkeit der im Arbeitsprozess Befindlichen.
Dass es nach wie vor mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt und deren Entlohnung oftmals in die Kategorie „Working poor“ fällt (Gehaltsniveau, welches bei Vollzeitbeschäftigung unter oder nur knapp über der Armutsgrenze liegt), wird ebenfalls ausgeblendet.
Was nun vorgesehen ist: Die bestehende Lohnersatzrate (55%) soll zu Beginn der Bezugsdauer erhöht werden und dann mit dem Andauern der Erwerbslosigkeit sukzessive sinken. Besonders problematisch dabei ist vor allem, dass die Notstandshilfe – 92% des Arbeitslosen-Geldes und Bestandteil der Arbeitslosenversicherung, für die der Bund zuständig ist – durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) ersetzt werden soll, die in die Kompetenz der Länder fällt. Erst im März 2018 hat der Verfassungsgerichtshof die Niederösterreichische BMS aufgehoben, die zwischen Personen, die schon länger in das Sozialsystem eingezahlt haben und jenen Nicht-Österreichern, die neu in das Sozialsystem dazu gekommen sind, differenziert.
Die Bundesregierung jedoch möchte weiter an dieser Lösung festhalten. Erinnern wir uns, 2010 als die Sozialhilfe bundesweit zu BMS vereinheitlicht werden sollte, war schon die Abschaffung der Notstandshilfe im Gespräch. SPÖ und Grüne verhinderten damals den Übergang in die BMS. In eine BMS, angelehnt an das deutsche Harz IV, jedoch noch um einen Tick radikaler! Mit der Eigentumsverwertung – in Wien bis zur Höhe von € 4315,20!
Das beinhaltet, dass eine Lebensversicherung, ein Bausparvertrag etc. aufzulösen und ein Auto zu verwerten sind, wenn die vorgegebene Höhe überschritten wird. Hat sich ein Mensch in seinem langen Arbeitsleben auch noch Wohneigentum erarbeitet, so wird nach sechs Monaten Bezug von BMS ein belastender Eintrag im Grundbuch vollzogen, der den Wert der Immobilie schmälert!
PS: Der Pensionsbeitrag von 1,78% des Jahreseinkommens, der auch in der Notstandshilfe das persönliche Pensionskonto erhöht, entfällt natürlich auch bei BMS; und weitere Verschlechterungen wie die bereits verkürzten Ruhezeiten oder die geplante Erhöhung der Zumutbarkeit von Wegstrecken zum und vom Arbeitsplatz um 30 Minuten sind ja noch gar nicht erwähnt worden.
PPS: Der neuerliche Anlauf zur BMS wird steigende Armutsgefährdung durch Einkommenskürzungen bei den Betroffenen bewirken.