“Wir brauchen euch auf den Straßen. Wir brauchen euch in der Regierung.” Ein offener Brief an die österreichische Linke. Von Syriza Österreich und Podemos Österreich
Wir möchten euch von Herzen für die enorme Unterstützung in den vergangenen Monaten danken. Es war sehr beeindruckend zu sehen, wie viele von euch ihre Unterstützung für die Menschen in Griechenland und Spanien unter Beweis gestellt haben. Besonders hat uns uns die Demonstration vor dem Bundeskanzleramt Mut gemacht, um Alexis Tsipras während seines Besuchs in Österreich zu unterstützen. Trotz des grauenhaften Wetters haben wir es gemeinsam geschafft, eine große Zahl an Aktivistinnen und Aktivisten zu mobilisieren. So haben wir den Repräsentanten der neuen griechischen Regierung enthusiastisch empfangen und es ist uns gelungen, in den Medien aufzuscheinen.
Trotzdem sind den freundlichen Worten von Bundeskanzler Faymann keine unterstützenden Taten gefolgt. Die meisten sozialdemokratischen Regierungsmitglieder in Europa, die Tsipras aufgesucht hat, haben sich ähnlich verhalten: Freundliches Händeschütteln für die Kameras, während sie hinter verschlossenen Türen wieder Hürden für Griechenland aufgestellt haben.
Dieses verzerrte Verständnis von Solidarität ist nicht nur ein Problem für Griechenland oder für Spanien unter einer zukünftigen Podemos-Regierung. Dieses Verhalten ist schlecht für das gesamte Europa.
Die sozialdemokratischen Parteien Europas – genauso wie die traditionellen politischen Eliten – haben sich dem Druck der Märkte gebeugt, und die “europäische Solidarität” ist für sie nur ein weiterer Begriff geworden, der keinen Wert und keine Bedeutung mehr für sie hat.
Wir brauchen mehr!
Aus diesem Grund ist dieser Brief auch nicht als freundliches Schulterklopfen gedacht. Eure Unterstützung auf den Straßen, die verschiedenen Veranstaltungen und Kampagnen sind erstaunlich und wertvoll. Aber wir brauchen mehr. Wir wollen ein soziales Europa aufbauen – und wir wollen das mit euch zusammen tun. Wir wollen euch ermutigen, euren politischen Standpunkt auf die nächste Stufe zu heben und eurer historischen Verantwortung gerecht zu werden.
Die österreichische Linke ist derzeit sehr dynamisch, sie ist in der Lage, schnell neue Initiativen zu entwickeln und außerordentlich kreative politische Aktionen umzusetzen. Aber sie ist, so wie es in Griechenland vor einigen Jahren war, leider fragmentiert. Hinzu kommt, dass es zwar viele Leute gibt, die sich der neoliberalen Politik der Parteiführungen der traditionellen politischen Parteien (SPÖ und Grüne) widersetzen, aber dennoch diese Parteien unterstützen oder sogar in ihnen politisch arbeiten. Deren Politik führt zum Lohndumping, zu einem andauernden Anstieg der Mieten, zu einer Marginalisierung der weiblichen Arbeitskraft, zu außerordentlich hohen Arbeitslosenraten und zu einer fortschreitenden Zerstörung des Sozialstaates. Marktgläubig wie sie sind, haben diese Regierungen es geschafft, die privaten Schulden der Banken und Banker zu sozialisieren und auf den Rücken der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu packen. Wie wir alle wissen sind die wirklichen Steuerzahlenden nicht die Reichen, sondern die Arbeitenden. Genau das ist die Geschichte unserer Länder gewesen, eine Geschichte, die wir jetzt dabei sind zu ändern.
Wir haben gehört, dass ihr in verschiedenen Foren und Blogs über die Möglichkeit redet, ein neues, links orientiertes politisches Subjekt zu gründen, und zwar vor den kommenden Nationalratswahlen. Das wäre fantastisch. Ihr habt völlig Recht, dass eine große Allianzpartei, die an den kommenden Nationalratswahlen teilnimmt, ein wichtiges strategisches Ziel sein sollte. Die Erfahrungen von Syriza und die Dynamik von Podemos beweisen, dass das möglich ist.
Besonders aus der Erfahrungen von Podemos können wir lernen, wie wichtig die “untergeordneten” Wahlen sind. Podemos zielte und zielt natürlich auf die nationalen Wahlen, aber wir haben begonnen, um einen Sitz im Europäischen Parlament zu kämpfen. Die Umfragen gaben uns gerade mal 2% bis 3% und einen bzw. keinen Abgeordneten. Überraschenderweise machten wir 8% und erzielten 5 Sitze im EU-Parlament.
Dass wir an diesen Wahlen teilgenommen haben, hat sich mehrfach positiv ausgewirkt:
- Während der Wahlkampagne konnten wir unser politisches Programm und unsere Ideen in der gesellschaftlichen Debatte platzieren
- Es gab einen außergewöhnlichen Lernprozess, wie man eine Wahlkampagne organisieren kann und insbesondere, wie man die sozialen Medien nutzen kann, eben wie das Internet wirkliche Partizipationsmöglichkeiten eröffnet.
- Es hat außerdem geholfen, das Programm und den politischen Diskurs so zu modulieren, dass er die sozialen Bedürfnisse aufgreift. Wir konnten lernen, was geht – und was nicht.
- Podemos ist nach den Wahlen sehr bekannt geworden – und ein großer Teil der spanischen Gesellschaft hat entschieden, diese neue Partei zu unterstützen.
Dieses Jahr wird es viele Wahlen in Österreich geben – und also auch viele Möglichkeiten, politische Plattformen aufzubauen und in ihnen mitzuarbeiten. Der Sieg von Syriza hat gezeigt, dass politische und soziale Bewegungen zusammen arbeiten und eine Allianz aus zivilgesellschaftlichen Gruppen nach vorne bringen können, um mehr Macht zu erringen. Das sind also die Gründe für diesen offenen Brief.
Das Beispiel von Syriza zeigt aber auch, dass dies kein leichtes Unterfangen ist. Regelmäßig mit Menschen zusammen zu arbeiten, mit denen wir 99 Prozent unserer Ideen teilen, wobei wir aber verschiedene Biografien und persönliche Hintergründe haben, kann sehr schwierig sein.
Die kommenden Wahlen sind also auch eine Möglichkeit, zusammen zu diskutieren und Hindernisse zu überwinden, sollten Meinungsverschiedenheiten auftauchen.
Wien anders: Ein linkes Eindringen in Wien ist möglich!
In diesem Sinne bieten die Wiener Wahlen eine ausgezeichnete Gelegenheit, um mit dem Aufbau eines neuen politischen Subjekts zu beginnen. Die Wiener WählerInnenschaft hat Zugang zu alternativen Medien und ist in sozialen Medien sehr aktiv. Viele der größten politischen und sozialen Organisationen haben ihre Hauptquartiere in Wien. Zur gleichen Zeit hat die Regierungskoalition aus SPÖ und Grünen eine Politik verfolgt, durch die die Arbeitslosigkeit dramatisch angestiegen ist, durch die die meisten von uns von Prekarität und Unsicherheit betroffen sind und durch die die die Mieten für viele Familien untragbar geworden sind.
All das zusammen hat eine Situation entstehen lassen, die ein linkes Eindringen in Wien möglich macht.
Sowohl Podemos als auch Syriza wurden zum Gründungskonvent von Wien anders am 21.3.2015 ab 12 Uhr eingeladen. Beide Gruppen freuen sich, dabei zu sein. Wir denken, es ist unsere Verantwortung, bei der Bildung einer europaweiten Koalition mitzuarbeiten, die die neoliberale Austeritäts- und Sparpolitik wirklich herausfordern kann, die nicht nur unsere, sondern auch eure Länder zerstört – und ebenso die Solidarität zwischen den Völkern und Menschen in Europa.
Wir brauchen Österreich in einer solchen Koalition, und wir brauchen euch in der Regierung.
Pablo Torija and Katherina Anastasiou
(Übersetzung aus dem Englischen – Sebastian Reinfeldt)
English Version:
We need you in the streets. We need you in the government.
Open letter to the Austrian Left.
We would like to deeply thank you for the enormous support received during these months. It has been impressive to see how many of you have demonstrated to support the Greek people and the peoples of Spain over the last weeks. Especially the demonstration in front of the Bundeskanzleramt in support to Alexis Tsipras during his visit in Austria, was very encouraging. Despite the terrible weather conditions, we collectively managed to mobilize a large number of activists, we received the representative of the new Greek government with enthusiasm and managed our way in the local press.
However, Chancellor Faymann’s friendly words, did not translate into real and pragmatic actions of support. On the contrary, most of the social-democratic governmental officials that the Greek PM Alexis Tsipras has visited so far, have adapted a similar behaviour. Friendly handshakes for the cameras, while setting barriers for Greece behind closed doors. Their twisted perception of solidarity, isn’t just a problem for Greece or Spain under a future PODEMOS government. This attidute is bad news for Europe as a whole. Social democratic parties around Europe, as well as all traditional political elites, have bowed to the power of the markets and european solidarity has become for them just another term in decay.
Therefore this letter was not written to friendly pet your shoulders. Your support on the streets, the social media, the different events and campaigns is amazing and extremely valuable, but we need more. We want to build a social Europe and we want to do it together with you. We want to encourage you to take your political stand and the historical responsibility to the next level.
The Austrian left is very dynamic, able to create rapidly new initiatives and to engage in exceptionally creative political actions. But like in Greece several years ago, it is unfortunately fragmented. Additionally, there are many individuals who normally support or participate in traditional political parties (SPÖ and Grüne), that oppose the neoliberal policies carried out by their party leadership. Policies that lead to loan dumping, housing pricesin costant rise, marginalisation of women’s working force, extraordinary unemployment levels, progressive abolition of social state etc. Faithfull to the market, these governments managed to make the privat debt of banks and bankers public and put it on the back of the taxpayers and as we all know, the real taxpayers are not the rich but the workers. This has been the recent story of our countries. The story that we are up to change.
In different forums, we have heard you talk about the possibility of creating a new left oriented political entity before the next national elections. This is would fantastic. You are totally right, a great coalition party to take on the national elections in 2018, should be the strategic goal. The experience of SYRIZA and the dynamics of Podemos prove this is possible.
Especially from the Podemos experience, we have learnt the importance of “second-class” elections. Podemos aimed the national elections but we started by fighting for a seat in the European Parliament. Polls gave us a 2%-3% of votes and one or none seats. The surprise came when we got the 8% and 5 seats in the EU-parliament. To participate in these elections brought many positive outcomes:
During the electoral campaign, we managed to insert our political program and ideas into the social debate.
There was an exceptional learning experience about how to organize an electoral campaign, and above all the use of social-media and the new political participation posibilities opened by internet.
It helped to modulate the program and the political discourse to adapt it to social demands, to learn what works and what does not.
Podemos gained a lot of publicity after the elections and large sections of Spanish society decided to support the new party.
These are the reasons for this open letter. This year, there will be many elections in Austria [link der standard] and so many opportunities to start creating platforms and to participate in them. Syriza’s victory has shown us that the political and social movements can work together and present a civic coalition able to gain power. Syriza has shown also that it is not an easy task. Often to work with people with whom we share 99% of our ideas but with different personal stories and backgrounds might be extremely complicated. The coming elections are also an opportunity to debate together and to mend fences, once the disagrements arise.
In this sense, the Vienna elections presents an excellent opportunity to start with the construction of the new political entity. The Viennese electorat has access to alternative media and is very active in social media. Many of the biggest political and social organizations have their headquarters in Vienna. At the same time the governening coalition (SPÖ, die Grüne) has been following politcs that lead to the fastest increasing unemployment, precarity is affecting most of us and housing prices are, for many families, directly unbarealbe. All the above constitute conditions under which there could be a left irruption in Vienna.
Podemos Austria and Syriza Austria have been invited to the Constitutional assembly of Wien Anders the 21.3 and we are both happy to be there. We consider that is our responsibility to contribute with the setting up of a new European coalition able to challenge the austerity and neoliberal politics that is destroying our countries, your country and the solidarity among European peoples. We need Austria in this new European coalition, and we need you in the government.
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