Wie weit wird sich die österreichische Öffentlichkeit von Kurz blenden lassen? Vom Kabinett Schüssel I bis zum Kabinett Kurz I sind noch viele schwarz-blaue Gerichtsverfahren anhängig (BUWOG, Eurofighter, Casinos et al.). Diese Verfahren werden teilweise von den Angeklagten bewusst verzögert und in die Länge gezogen, durch verschiedene Anträge und Winkelzüge (z.B. Nichtigkeitsbeschwerden). Das ist natürlich das gute Recht der Angeklagten. Der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nun aber von Seiten des Kanzlers vorzuhalten, sie arbeite zu langsam und tue dies wohl, um den Angeklagten zu Schaden, ist eine Verkehrung der wahren Tatsachen und beinhaltet eine beängstigende Demagogie. Auch kann der Kanzler der Arbeit der Justiz nicht einfach vorgreifen und behaupten am Ende würde sich (im Fall Casinos) die Vorwürfe ja doch „in Luft auflösen“. Plausiblen Verdachtsmomenten muss nachgegangen werden, auch wenn es Sebastian Kurz nicht passt.
Kurz bedient sich mit seinen Forderungen einer tückischen Verdopplung. Indem er die Unabhängigkeit der Justiz fordert, untergräbt er sie zugleich, eben weil er dies als Kanzler fordert. Er wolle nicht „beschuldigen“, sondern weise bloß auf „Missstände“. Das kann aber niemals die Aufgabe eines Bundeskanzlers sein, denn als Spitze der Exekutive wird er von den Gerichten kontrolliert und nicht umgekehrt. Indem Kurz zuweilen so tut, als würde er als besorgter Bürger sprechen, vernebelt er nochmals seine Funktion im Staat. Gefühle und Sorgen kann ein Bundeskanzler gerne in Sonntagsreden äußern, aber er muss sich als Kanzler an die Gewaltenteilung halten. Ginge es ihm wirklich um die Unabhängigkeit der Justiz, dann könnte er doch den Einfluss der Regierung mindern und das Weisungsrecht des Justizministeriums abschaffen.
Die perfide Strategie von Kurz gipfelt darin, die Justiz als verdorben und unterwandert dazustellen. „Rote Netzwerke“ seien am Werk. Eine Aussage von der Kurz beharrlich nicht abweicht, wie aktuelle Auftritte im Fernsehen zeigen. Als Beleg führt er wenig bedeutende Dokumente aus dem Jahr 1997 an, die bereits im Parlament behandelt worden sind. Den BürgerInnen wird ein Bild vermittelt, dass den Gerichten im Land nicht mehr zu trauen sei. Verurteilte können sich heute als „Opfer roter Netzwerke“ stilisieren. Kurz säht somit vom Bundeskanzleramt aus systematisch Misstrauen am österreichischen Rechtstaat. Der letzte Bundeskanzler, der den österreichischen Rechtsstaat derart missachtete war Engelbert Dollfuß, dessen Bildnis lange Zeit im Parlamentsklub der ÖVP hing. Offensichtlich nimmt sich nun Sebastian Kurz ein Vorbild an ihm.
Gerade am und in Erinnerung an den 12. Feber 1934 meinen wir von Wien ANDAS, dass durch dieses Verhalten des Bundeskanzlers eine Bedrohungssituation entstanden ist, die von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis abgewehrt werden sollte. Kurz‘ heimtückischer Angriff auf Rechtsstaat und Justiz muss als solcher erkannt und verurteilt werde.