Eine Aktivistin von Wien ANDAS stellte den im Wiener Gemeinderat vertretenen Parteien und Abgeordneten die Frage, ob zu dem voraussichtlichen Wahltermin 11.10.2020 überhaupt faire Wahlen in Wien abgehalten werden können. Kleine und neue Parteien müssen nämlich vor jeder Wahl 2950 Unterstützungserklärungen sammeln. Dies ist wegen der Eindämmungsmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie schwierig und vielleicht sogar gesundheitsgefährdend.
Eine ganz simple Lösung, oder zumindest deutliche Verbesserung, wäre die Möglichkeit einer elektronischen Unterstützungserklärung. Durch Bürgerkarte und Handysignatur ist dies bei Volksbegehren und Petitionen schon lange problemlos möglich. Wenn man wollte, könnte man also.
Keine Antwort ist bekanntlich auch eine. Die in Wien und im Bund regierenden Grünen hielten die Anfrage keiner Antwort würdig – sie werden wichtigere Sorgen haben, als eine möglichst breite und freie demokratische Beteiligung der Bevölkerung. Auch der für die Wahlen zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky ließ sich leider zu keiner Antwort bewegen. Die SPÖ ließ aber via Dr. Andreas Höferl, dem Klubdirektor des Landtags- und Gemeinderatsklubs, ausrichten, dass keine Wahlordnung in Bund und Ländern diese Möglichkeit vorsehen würde. Da Wien sich hier an der Nationalratswahlordnung orientiere, müsste zu deren Änderung zunächst eine breite Diskussion aller Parteien in Österreich angestoßen werden. Die SPÖ versprach, die Anregung in die anstehenden Diskussionen einfließen zu lassen. Löblich, meint Wien ANDAS, es klingt nur ein bisschen danach, als hätte sich hier jemand seinen Wecker auf den „Sankt-Nimmerleinstag“ gestellt. Die Wahl steht aber vor der Tür und wenn man sie wirklich offen gestalten wollte, dann müsste die SPÖ jetzt handeln. Danach sieht es nicht aus.
Die ÖVP-Abgeordnete Ingrid Korosec signalisiert Zustimmung, verweist allerdings vornehmlich auf ihre Bedenken bezüglich der Durchführung der Wahl. Sie steht einer Prüfung der Möglichkeit einer digitalen Unterstützungserklärung zwar „durchaus positiv gegenüber“, spielt aber den Ball sogleich zur rot-grünen Stadtregierung hinüber, die doch bitte die Fragen beantworten soll, wie eine Wien-Wahl überhaupt sicher ablaufen könnte, insbesondere für die Wahlbeisitzer*innen.
Volle Zustimmung bekam die Anfrage auch von der FPÖ. Allerdings nur im Hinblick darauf, dass eine Wahl von Kleinparteien angefochten werden könnte, wenn ihnen die Möglichkeit zum Sammeln der Unterstützungserklärungen durch Corona verwehrt bleibe. Ferner drückte der FPÖ-Abgeordnete Manfred Hofbauer seine Hoffnung aus, dass die Wahl im Sommer noch per Mehrheitsbeschluss verschoben werden würde. Wahlverschiebung, Anfechtung, die FPÖ wälzt ihre eigenen Ideen, die Sorge um die Kleinparteien und damit eine möglichst große demokratische Vielfallt ist nicht dabei.
Der FPÖ-Ableger DAÖ unterstützt, laut ihrem Abgeordneten Dietrich Kops, die Initiative zur digitalen Unterstützungserklärung grundsätzlich. Kops meint aber aus „optischen Gründen“, weil selbst einer neuen Bewegung/Partei angehörend, können sie dies nicht offen fordern. Außerdem hat DAÖ dies vielleicht auch nicht nötig, weil sie Unterstützung zum Wahlantritt durch übergelaufene „blaue“ Abgeordnete bekommen. Dies wäre dann eine Erinnerung daran, wie das bei den Rechten üblicherweise läuft. Sei es BZÖ, Team Stronach, Team Kärnten et. al., die wurden einfach durch Unterstützung von Nationalrats-Abgeordneten aus dem eigenen Lager in die jeweiligen Parlamente gehoben und bekamen übrigens auch vom ersten Tag an einen Platz in den ORF-Fernsehstudios. Wir werden im Spätsommer sehen, wie weit Straches Arm reicht.
Bleiben nur mehr die NEOS. Die zeigten sich nicht nur offen für diesen Vorschlag und hatten dies bereits selbst gefordert. Leider ohne Erfolg, denn die anderen Parteien waren dagegen, bzw. wollten lieber noch abwarten (Grüne). Die Wien ANDAS-Aktivistin war von so viel demokratiepolitischem Engagement der NEOS ganz verzückt und fragte bei Christoph Wiederkehr, den Klubvorsitzender NEOS Wien nach, ob die pinke Partei denn im Falle einer Absage der digitalen Unterstützungserklärung nicht aus dem Parlament mit der Unterstützungserklärung von fünf Abgeordneten eine neue Partei unterstützen möge. Nein, so weit geht das Engagement für eine bunte Demokratie nicht, denn schließlich würde eine Unterstützung suggerieren, man würde damit auch die Inhalte der Partei unterstützen. Die Katze beißt sich also in den Schwanz.
Keine der etablierten Parteien hat offenkundig ein Interesse an der Konkurrenz durch eine weitere Partei, was aus deren Sicht auch logisch erscheinen muss. Unterscheiden tun sich die Parteien lediglich in der Begründung ihrer Nicht-Unterstützung. Im Sommer werden somit bei der Abgabe der Unterstützungserklärungen auf den Gemeindeämtern Menschenleben gefährdet, oder man verhindert schlicht das Antreten anderer noch nicht im Gemeinderat vertretener Parteien. Wien ANDAS wird das Mögliche unternehmen, dass es nicht so weit kommt.