Es gibt viele Gründe, weshalb man gegen die Freihandelsabkommen zwischen der EU mit den USA einerseits und mit Kanada andererseits sein sollte.
- Ob aus sozialer Perspektive – ein Blick auf bisherige US-Freihandelsabkommen wie NAFTA zeigt deutlich die Gefahr massiver Arbeitsplatzverluste und Arbeitnehmendenrechte auf.
- Aus gesundheitlicher Perspektive – die höheren Lebensmittelstandards der EU fallen unter nicht-zollbetreffende Handelshemmnisse, deren Abschaffung im Zentrum des Freihandelsabkommens stehen, denn die Zollquote zwischen den USA und der EU sind bereits extrem niedrig. Erklärtes Ziel des Abkommens ist es vielmehr, alle anderen sog. Handelshemmnisse so weit wie möglich zu senken, weshalb eine Aufrechterhaltung aller Qualitätsstandards, die in der EU errungen wurden, nur schwer denkbar ist.
- Aus finanzpolitischer Perspektive – auch die EU hat Interesse an der Senkung bestimmter Standards in den USA, allen voran jener der US-Finanzmarktregulierung, die strikter als ihr EU-Pendant ist.
- Aus datenschutzrechtlicher Perspektive – auch wenn noch nicht alle Kapitel der Verhandlungen bekannt sind, so spricht vieles dafür, im Zuge von TTIP eine Art neues ACTA zu erhalten: Die verstärkte Durchsetzung von Copyrights ist eine ebenso anzunehmende Entwicklung wie auch ein erhöhter Austausch von Kundendaten zwischen multinationalen Unternehmen. Die Auswirkungen von Patentrechten und der Privatisierung von medizinischen Dienstleistungen werden die Gesundheitsversorgung in Staaten wie Griechenland auf Dauer weiter verschärfen.
- Aus landwirtschaftlicher Perspektive – ca. 13 Millionen landwirtschaftliche Betriebe innerhalb der EU stehen zwei Millionen US-Farmen gegenüber. Im Durchschnitt sind diese 13 Mal größer als die EU-Betriebe, die langfristig durch die neue Konkurrenz der US-Agro-Agrarkulturen die Grundlage der heimischen Landwirtschaft und ihrer Kleinbetriebe gefährden werden.
Es gibt also zahlreiche inhaltliche Gründe, weshalb man gegen diese Abkommen sein könnte.In erster Linie geht es EuropaAnders aber nicht um Chlorhühnchen und Genmais. Die Kritik setzt nicht bei den Auswirkungen der Verträge allein an, sondern beginnt am Anfang, der politischen Perspektive: Die Verhandlungen über diese Freihandelsabkommen werden von demokratisch nicht-legitimierten Personen und Institutionen geführt, die keinerlei demokratischer Kontrolle oder gar Einflussnahme unterliegen – stattdessen findet sich das who-is-who der multinationalen Unternehmen stets am Verhandlungstisch.
Investorenschutzklausel
Die Folge ihrer Einflussnahme ist der Wunsch nach einer Investorenschutzklausel (ISDS), die in der Regel für Regionen benutzt wird, deren Rechtssysteme keinen verlässlichen Schutz bieten. Da dies nicht für die USA und die EU zutreffen sollte, ist der Sinn einer solchen Schutzklausel einzig und allein der weitere Profit bestimmter Großunternehmen. Selbiges gilt für den angedachten Regulierungskooperationsrat, der als quasi Absicherung der ISDS-Klausel verstanden werden kann.
Ihr Zweck ist es, Unternehmensinvestitionen von vermeintlichen Gewinneinbußen durch neue Regulierungen zu bewahren. Der Regulierungsrat geht jedoch noch einen Schritt weiter als ISDS, indem jegliche angedachte Regulierung zum Schutz der Gesellschaft im Vorhinein erst von diesem Rat abgesegnet werden muss: Der ISDS ist der Gerichtshof, der von multinationalen Unternehmen geführt wird, der Regulierungsrat ist die Zensurstelle für jegliche zukünftige staatlich angedachte Maßnahme zum Schutz der Gesellschaften. Beide sind ebenso wenig von demokratisch legitimierten Personen besetzt oder kontrolliert, wie an jeder bisherigen Stelle der Verhandlungen zu TTIP.
Egal welche Gefahren durch ein geschlossenes Freihandelsabkommen mit den USA oder mit Kanada drohen: Bereits bei dem Prozess ihres Zustandekommens sagen wir eindeutig „Nein!“, da sie in keiner Weise mit den Werten und Maßstäben einer demokratischen Gesellschaft vereinbar sind.
Zum Thema siehe auch Die SPÖ und TTIP