Die KPÖ beschäftigt sich seit vielen Jahren auch mit dem Thema der Demokratisierung der Stadt. Nachfolgend diverse Anregungen, die die KPÖ-Wien auf ihrer 24. Landeskonferenz im Februar 2015 beschlossen hat.
Wien braucht mehr Demokratie!
Obwohl es seit der letzten Wiener Wahl eine “blass rotgrüne Stadtregierung“ gibt, teilt ein weit über unsere SympathisantInnen und WählerInnen hinausgehender Kreis von Wienerinnen und Wiener diese Auffassung und es werden immer mehr.
Alle etablierten Parteien wollen sich in ihren „Sonntags-“ und „Wahlkampfreden“ in „Bürgernähe“ gerne überbieten. Ihre Praxis geht in die entgegengesetzte Richtung. Auch die Grünen, bei deren Gründung BürgerInnenbeteiligung, Transparenz, Gleichberechtigung und Demokratie noch zu ihren Grundanliegen zählte, sind in der zurückliegenden Periode ihrer Beteiligung an der Wiener Stadtregierung diesbezüglich vieles schuldig geblieben und haben in vielen Fällen zum Vollzug undemokratischen Vorgehens des Rathauses selbst mit beigetragen und spielen damit der „rechten Opposition“ in die Hände.
Wahlrecht
Im Vordergrund der öffentlichen Debatte steht derzeit das undemokratische Wahlrecht in Wien. Die vor den letzten Wahlen in Wien von allen damaligen Oppositionsparteien geforderte und nach den Wahlen von der neuen Rathauskoalition versprochene Reform der Wiener Gemeindewahlordnung ist gescheitert. Ein in der Öffentlichkeit bekannter Hauptkritikpunkt sind die Verzerrungen im Wiener Wahlrecht, die es ermöglichen, dass eine Partei wie im Jahr 2001, mit weniger als 47% der Stimmen 52% der Mandate erhalten kann.
Eine der Hauptursachen dafür, liegt in der für die Wahlen in den Gemeinderat enthaltenen undemokratischen 5% Sperrklausel. Alle Parteien, die mit ihrem Wahlergebnis unter 5% liegen, werden von der Mandatsermittlung für den Wiener Gemeinderat (Landtag) derzeit ausgeschlossen. Dadurch werden die Mandate für die etablierten Parteien billiger, womit nicht nur kleine Parteien benachteiligt, sondern auch WählerInnen, die ihre Politik befürworten, dazu getrieben werden, entgegen ihrer Überzeugung das „kleinere Übel“ zu wählen. Nicht nur, dass es im Unterschied zu Wien in keiner Landeshauptstadt Österreichs bei Gemeineratswahlen Sperrklauseln gibt, übertrifft sie sogar die derzeit gültige Sperrklausel für Nationalratswahlen, die bei 4% liegt.
Jede Stimme muss gleiches Gewicht bekommen! Deshalb treten wir für die Abschaffung aller Sperrklauseln im Wahlrecht ein!
Eine weitere Hürde schreibt Parteien und Wählergruppierungen, die vor den Wahlen nicht im Gemeinderat bzw. Nationalrat vertretenen sind, für eine Kandidatur zwingend die Beibringung persönlich unterschriebener Unterstützungserklärungen vor. Während für eine Kandidatur zu den Nationalratswahlen in Wien 500 Unterstützungserklärungen ausreichen, müssen für ein wienweites Antreten zu den Gemeineratswahlen insgesamt 1800 (!) Unterstützungserklärungen auf gebracht werden. (Für das Antreten zu den gleichzeitig abgehaltenen Bezirksvertretungswahlen sind weitere 50 Unterschriften je Bezirk, also insgesamt weitere 1150 Unterstützungserklärungen nötig.) Im Unterschied zum neuen Petitionsrecht, wo es die Möglichkeit gibt, Unterschriften via Handysignatur oder Bürgerkarte online zu leisten, gibt es bei Unterstützungserklärungen für Wahlen eine solche Möglichkeit derzeit nicht.
Wir treten für eine Abschaffung jener Vorschrift, die UnterstützerInnen zwingtfür eine deutliche Reduzierung der Anzahl der erforderlichen Unterstützungsunterschriften (zumindest analog der Nationalratswahlordnung für Wien),für die Möglichkleit eine solche auch ohne persönlich am Amt zu erscheinen (wie z.B. bei den AK-Wahlen und bei den Landtagswahlen in der Steiermark praktiziert) und auch online zu leisten, ein.
Gleiche Rechte für alle!
Die KPÖ Wien bekräftigt ihre auf ihrer 23.Landeskonferenz beschlossene Forderung nach einer ResidenzbürgerInnenschaft. Dort wo eine Person ihren Lebensmittelpunkt hat, soll sie alle politischen und sozialen Rechte innehaben.
Dass ein Gemeinderatsbeschluss, der zumindest auf Bezirksebene das Wahlrecht für „Drittstaatsangehörige“ einführen wollte, auf Betreiben der ÖVP und FPÖ vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde, darf nicht weiter als Ausrede herhalten.
Es liegt an der Bundesregierung und dem Parlament auf Bundesebene die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung eines Wahlrechts für „Drittstaatenangehörige“ zu schaffen, welches es in vielen Städten in der EU auf zumindest kommunaler Ebene längst gibt. Die Bundesregierung wird nachwievor von der SPÖ geführt. Außerdem sind in der Zwischenzeit die Grünen in 5 Bundesländern in Landesregierungen vertreten und es wäre auch interessant, wie sich die ÖVP in der Regierung und im Parlament verhalten würde, wenn 5 Bundesländer gemeinsam für ein Wahlrecht für „Drittstaatenangehörge“ eintreten würden.
Wir treten deshalb auch in Wien weiterhin für ein Wahlrecht für alle, die hier leben – unabhängig von ihrer StaatsbürgerInnenschaft – und auf allen politischen Ebenen, ein.
Demokratisierung der Wiener Stadtverfassung
Seit den letzten Wiener Wahlen wird die Wiener Stadtverfassung strenger ausgelegt und öfter strapaziert und in den Bezirken verstärkt dazu benützt, um in den gewählten Bezirksvertretungen, die Debatte über „den Machtträgern unangenehme Themen“ zu unterbinden und von gewählten MandatarInnen dazu eingebrachte Anträge und Resolutionen vom Vorsitz unter Berufung auf die Stadtverfassung und Geschäftsordnung nicht zuzulassen. Laut §104 der Stadtverfassung ist es Bezirksvertretungen nicht erlaubt, in Fragen „einzugreifen“ für die übergeordnete Gremien (z.B. der Gemeinderat) zuständig sind. – was insbesondere für alle „Angelegenheiten der Gesetzgebung, der Gemeindeabgaben, Entgelte und Tarife, sowie Personalangelegenheiten gilt. Die so legitimierte dramatische Einschränkung der politischen Willensbildung in bei allgemeinen Wahlen gewählten politischen Gremien wird auch bei Resolutionen (die lediglich Willensäußerungen darstellen und an keine Adressaten gerichtet werden dürfen) angewandt. Im Gegensatz dazu sind BezirksvorsteherInnen dazu berechtigt, zu allen seinen/ihren Bezirk betreffenden Angelegenheiten, für die der Gemeinderat zuständig ist, im Gemeinderat das Wort zu ergreifen. Eine Willensbildung darüber bleibt den Bezirksparlamenten aber verwehrt.
Deshalb tritt die KPÖ Wien auch für das uneingeschränkte Recht der Meinungsbildung und Meinungsäußerung in den gewählten Gremien aller politischen Ebenen zu allen politischen Fragen, ein. Der/die BezirksvorsteherInnen sollen dazu verpflichtet werden, alle mit Mehrheit beschlossenen Willensäußerungen der gewählten Bezirksvertretungen an die jeweiligen dafür zuständigen Organe weiter zu leiten.
BürgerInnenbeteiligung
Petitionsrecht
Seit Anfang 2013 gibt es ein neues Petitionsrecht in Wien, „welches Menschen in Wien eine direktdemokratische Möglichkeit, sich unmittelbar in politische Prozesse einzubringen“ bieten soll. Für die Einbringung einer Petition sind mindestens 500 Unterschriften zur Gemeinderatswahl wahlberechtigter Wienerinnen und Wiener notwendig. Die im Unterschied zu den Unterstützungserklärungen bei Wahlen auf Listen und online abgegeben werden können und keiner Beglaubigung bedürfen. Mit mehr als 500 gültigen Unterschriften habe jede(r) „BürgerIn einen Rechtsanspruch darauf, dass sich die politischen Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen mit dem Petitionsthema im Petitionsausschuss befassen müssen.“
Die mit der Einführung weitverbreitete Hoffnung, dass eine(n) VertreterIn jeder erfolgreichen Petition Ihr Anliegen im Gemeinderat selbst darlegen darf, erfüllte sich aber nicht. Dazu kommt, dass eine Reihe von Bürgerinitiativen die sich mittels einer Petition mit ihrem Anliegen bisher an den Gemeinderat gewendet haben, sich über das sehr restriktive und bürgerinnenfeindliche Herangehen bei der Prüfung der Zuständigkeit, Zulässigkeit und Vollständigkeit bevor der Petitionsausschuss mit dem Anliegen der Petition überhaupt befasst wurde, insbesondere wenn es um bei den Machträgern nicht genehme Themen geht, beklagen.
Dazu kommt, dass es zurzeit zwar ein (wie sich in der Praxis zeigt sehr unvollkommenes) Petitionsrecht zwar für den Gemeinderat gibt, die Ebene der Bezirke (Bezirksvertretungen) aber davon völlig ausgeklammert bleibt.
Wir fordern:
Eine Ausweitung des Petitionsrechtes: Wir treten als einen wichtigen Schritt der BürgerInnenbeteiligung (Partizipation) für das verbindliche Recht jeder „erfolgreichen“ Petition ein, ihr Anliegen durch eine(n) VertreterIn im Gemeinderat selbst darzulegen und zu begründen.
Wir fordern, das Petitionsrecht auch auf die Bezirksvertretungen auszuweiten.
Rederecht für BürgerInnen bei Bezirksvertretungsitzungen:
Ein Rederecht für BezirksbürgerInnen könnte durch die Ausweitung des Petitionsrechtes (siehe oben) oder durch zeitlich beschränkte BürgerInnenforen vor Beginn oder während der Bezirksvertretungssitzungen, eingeräumt werden. BürgerInnen, BürgerInneninitiativen und Vereine sollen so die Möglichkeit bekommen ihnen wichtig erscheinende Probleme zur Sprache zu bringen. Die MandatarInnen lernen so Probleme direkt kennen, es bleibt ihnen freigestellt, darauf zu antworten bzw. in weiterer Folge zu handeln und entsprechend zu reagieren.
Bürgernähe und Transparenz
Das Problem beginnt in Wien aber oft schon viel früher. Eine notwendige Grundlage für Beteiligung wäre eine ausreichende Information. Derzeit wird vielfach noch ganz offen behauptet, dass es notwendig wäre, verschiedene Verfahrensabläufe von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Letztlich fällt das aber sehr oft negativ auf das Amt zurück, da geheimen Abläufen stark misstraut wird.
Ausreichende Information sollte aktiv, uneingeschränkt und einfach (vor Ort) verfügbar gemacht werden (auch Berichte aus den diversen Ausschüssen), und nicht erst auf Anfrage bzw. unter medialem Druck erfolgen. BürgerInnen müssen einen Rechtsanspruch auf Auskunft in allen Ämtern haben.
Alle Geschäftsstücke des Gemeinderates und der Bezirksvertretungen, die laut Stadtverfassung vor ihrer Beschlussfassung öffentlich zur Einsicht aufgelegt werden müssen (das gilt sowohl für Änderungen der Flächenwidmungen, als auch Entwürfe des Gemeinde- und der Bezirksbudgets), sollen während der Auflagefrist auch online abrufbar sein. Ebenso muss es auch ermöglicht werden, dass schriftliche Stellungnahmen der GemeindebürgerInnen dazu, die laut Stadtverfassung bei der Beratung von den zuständigen Gremien mit erwogen werden müssen, auch online abgegeben werden können. Ausdrücklich festgehalten werden soll, dass solche Stellungnahmen in angemessener Frist von den zuständigen PolitikerInnen schriftlich beantwortet werden müssen.