Der Kampf geht nicht weiter, er wird jetzt erst beginnen. In Griechenland, und auch in Wien

Eine Erklärung von Wien Anders zur Erpressungspolitik in der EU. Und zu den Wiener Wahlen. *English version below


Seit Januar 2015 sind Aktivist*innen von Wien Anders in Solidarität mit den Menschen in Griechenland aktiv, und wir unterstützen die linke griechische Regierung und Syriza in ihrem Kampf gegen Privatisierung, soziale Verelendung und für eine politische und soziale Alternative zur angesagten „Alternativlosigkeit“. Und wir werden dies, kritisch, auch weiterhin tun.

Dabei haben wir immer wieder gesagt, dass ihr Kampf in Griechenland und mit den EU-Institutionen unser Kampf ist, was bedeutet, dass auch wir der Politik der Verarmung entgegen treten, die „Austerität“ genannt wird. Denn die neoliberale Einheitsfront hat sich Griechenland als Versuchslabor ausgesucht, sie ziehen dort eine Politik durch, die in ihrer unverholenen Brutalität allen Menschen in ganz Europa droht.
Unsere Allianz aus Kommunist*innen, Pirat*innen, enttäuschten Grünen und unabhängigen Aktivist*innen würde gar nicht bestehen, wenn unser alltägliches Leben nicht ebenfalls durch diese Politik geprägt wäre. So leben in Wien fast 400.000 Menschen in Armut oder sie sind armutsgefährdet; sie arbeiten in unsicheren und befristeten Dienstverhältnissen, als Scheinselbstständige und Klein- und Kleinstunternehmer*innen. Gegen die eigene Verarmung anzukämpfen, das ist auch hier die harte Wirklichkeit für viele Menschen. Und sie betrifft uns alle persönlich.

Zu dieser falschen Gesellschaftspolitik zählen aber auch die kleinere und größere Korruption, die das politische Leben in Wien prägen. Die täglichen Erpressungen von Initiativen und Einzelpersonen, ihre politische Meinung nicht laut zu sagen, da sie ansonsten Nachteile in Kauf nehmen müssten. Bis heute hilft in Wien ein Parteibuch (und nicht nur das der SPÖ!), um an Wohnungen und gute Jobs heran zu kommen, oder auch nur, um nützliche Kontakte knüpfen zu können. Wie das Beispiel des gemeinnützigen Wohnbaus zeigt – aber wie auch noch weitere Beispiele deutlich machen, die wir in den nächsten Wochen und Monaten noch aufzeigen werden – ist das Leben in Wien ebenso einem neo-liberalen Diktat und der Erpressung unterworfen.

Und wie es in Wahrheit um die Demokratie in der Stadt steht, davon können viele Bürger*inneninitiativen ein Lied singen, die in ihrer Arbeit mit der Arroganz der Macht der rot-grünen Verwaltung und Politik konfrontiert werden, egal, ob es dabei um die Steinhofgründe, die Privatisierung des Donaukanalufers oder um die Schnellstraße nach Aspern geht. Die Politik der Verarmung der Vielen ist autoritär, sie scheißen auf Demokratie und wollen sie nur für diejenigen erlauben, die über genug Geld verfügen. Alle anderen haben keine Stimme zu haben.

Aber hier in Wien sind doch ganz andere Bedingungen, so hören wir oft, wenn wir ausdrücken, dass wir uns in der Tradition von Syriza, Podemos oder auch von BarcelonaEnComu sehen. Stimmt, denn in Wien sind bisher „nur“ 13 Prozent der Menschen arbeitslos, 16 Prozent arbeiten als „working poor“ im Niedriglohnsektor, doch die großen Einkommensunterschiede werden im täglichen Leben versteckt oder mit Wohlfühlparolen zugekleistert. Wer aber in Wien eine neue Wohnung sucht, erlebt den Unterschied am eigenen Leibe. Denn „leistbares Wohnen“ in der Stadt bezieht sich nur auf diejenigen mit einem höheren Einkommen. Die anderen müssen an den Stadtrand ziehen, und sich dafür hoch verschulden.

Dabei meinen die Rechtspopulisten, die es nicht nur in der FPÖ gibt, scheinbar die Schuldigen gefunden zu haben, denn es gibt noch Ärmere als wir, die Geflüchteten, die derzeit nach Österreich kommen. Denen muten wir ein Leben in Zelten oder gleich ganz im Freien zu. Sie würden unser soziales System bedrohen, und nicht die politischen Propagandisten des Sparens, heißt es dann parteiübergreifend von der christlichen Mikl-Leitner über den sozialdemokratischen Niessl bis zu den rechtsradikalen Strache und Kickl. Eine übergroße Koalition, die sich in ihrem Rassismus und in Korruption und Parteibuchwirtschaft vereint hat. Es ist einfach zum Speiben.

Speiben alleine reicht aber nicht aus. Der Unmut über diese Wirklichkeit ist groß, unsere Allianz wächst unaufhaltsam weiter. Für uns ist die wichtigste Lehre aus der erfolgreichen Erpressung der griechischen Regierung, dass wir in Österreich, und konkret in Wien, den Kampf mit diesen politischen Hasardeuren suchen. Uns war bei unserer Gründung im März 2015 bewusst, dass wir in diesem Wahlkampf den anderen ihren Spaziergang zur Macht vermiesen werden, weil es uns um mehr geht, als um ein paar Sitze für eine neue politische Gruppierung im Gemeinderat und in den Bezirksvertretungen.

Der wichtigste Beitrag, den wir zur Solidarität mit dem Kampf der Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und so weiter leisten können, ist: Hier eine wirksame, vielfältige linke Alternative aufzubauen, die dieser Politik der Verarmung und des Sparens an den falschen Orten und bei den falschen Menschen entschieden entgegen tritt. In allen Wiener Bezirken ist uns das gelungen, und nun werden wir, mit Leidenschaft, in ganz Wien aktiv werden. Dies ist eine zornige Kampfansage. Der Kampf geht nicht weiter, er wird jetzt beginnen. Wir sind die nächsten Tage und Wochen dort aktiv, wo wir gehört werden und mit Argumenten überzeugen können: auf der Straße.
Den Wahlkampfmaschinen der etablierten Parteien und ihrer umgefärbten Klone, die mit unserem Geld geölt worden sind, setzen wir unsere politische Leidenschaft entgegen, und eure Unterstützung. Die Zeit des Zuschauens ist vorüber.


 

English version:

The struggle does not continue, ’cause the real struggle has started right now. In Greece, and in Vienna as well
A statement from Wien Anders on blackmailing politics of the EU and on the coming local elections in Vienna
Since january 2015 activists from Wien Anders are in solidarity with the people in Greece. We are supporting left-wing government and Syriza in its fight against privatisation, impoverishment, a fight which is in favor of a political and social alternative to the politics of „there is no alternative“. And we will continue to do so, in a critical way.
Their fight in Greece and with the EU-Institutions has been and still is our fight, that is to say, we are challenging the politics of impoverishment called „austerity“ here. Because „the neoliberal united front“ has chosen Greece as its laboratory, they are pulling through a politics, that is waiting for whole Europe, in all its barbarity. So this is waiting for us, here, too.
Our political alliance, formed by communists, pirates, disappointed greens and independent activists, would not be here, if our daily lifes weren’t coined by these constraints, too. In Vienna there are 400.000 people living in poverty (or at risk of poverty); they are forced to survive in insecure and/or temporary work-relations, they are working as false self-employed or microentrepreneurs. Struggling with this impoverishment is a hard reality for many people. And we all are affected by this, personally.
Also, this wrong approach entails corruption on all levels, that shapes political life in Vienna. Daily blackmailing of political and social initiatives and individuals, not to speak up loudly, because they will be confronted with disadvantages otherwise. A party-membership (not only in the SPÖ!) still helps here, in order to find a good job or an apartment, or at least to establish a good social network. As the example of nepotism in the field of „non-profit housing“ in Vienna shows, living in Vienna is under corruption and we are blackmailed by those in power as well.
Citizans’ initiatives can tell the truth about democracy in the Austrian capital, because they are confronted with the arrogance of power in their daily fights, exercised by the city-council, which is controlled by social-democratic and green party technocrats.
The politics of the impoverishment of many people is authoritarian, the class in power is shitting on democracy, in the utterly consequence they want to allow democracy only for those, who have the money, the others don’t have to have a voice and a choice – a line of argument that Varoufakis has reported from his discussions in Eurogroup.
But, conditions in Vienna are totally different, people are reacting to our statement „We stand in the tradition of Syriza, Podemos or BarcelonaEnComu.“ That’s right, in Vienna „only“ 13 percent are jobless, 16 percent are labelled as „working poor“. The big differences in income are hidden in daily life or patched up by happy-life propaganda. In case you are looking for a new flat, you will experience the difference firsthand, for the slogan of „affordable housing“ in the city applies to those with a higher income only, the rest has to move to the outskirts, and go into debt.
Right-wing populists, which are not only active in the right-wing populist party of FPÖ, have labeled the scapegoat of all this, already. There are people even poorer than us, the refugees coming to Austria these days. They are forced to live in tent-camps or they have to sleep outdoors. However, refugees are supposed to threaten our social security system, and not the propaganda of skimping, that is the lie a (mostly) all-party coalition – from christian democrats over social-democrats to the extreme right wing – is telling to the people. In that way they are forming a unified bloc of racism, corruption and cronyism. This sucks!
Just puking is not enough. The rage about reality is huge, and our alliance is growing unstoppable. The most important lesson we have learned from this successful blackmailing of Greece government is, that we in Austria, especially in Vienna, are prepared to fight with these gamblers. When we have founded our alliance in March 2015, we already knew, that we will spoil their walk to power, because there is more at stake than just some seats in the local parliaments, in our point of view.
Our most important contribution to solidarity with the people in Greece, Spain, Portugal and Italy is: To establish an effective and diverse left alternative, that confronts austerity. We have been successful to form local groups in all districts in Vienna, and we will become more active now. This is our gauntlet. The struggle does not continue, ’cause the real struggle has started right now. We will be active, where our voices can be heard: on the streets.
We will counter the election-campaign-machinery of the established parties and all their clones in new dresses, which are run by our taxes, with political passion – and with your support. Our time of merly watching politics is over!